Blog

Dez 05

Die etwas andere WG

03.12.2016 | General-Anzeiger Bonn

Ein großes rotes Sofa zieht direkt den Blick auf sich, wenn man in das Appartement von Christiane Kolsdorf und Volker Kretschmann kommt. Sie haben sich ihre Zwei-Zimmer-Wohnung in der Wohngemeinschaft für Menschen mit geistiger Behinderung nach eigenen Wünschen eingerichtet. Im April 2015 konnten sie ihr gemeinsames Nest beziehen. Sie fühlen sich im barrierefreien Neubau der ambulant betreuten Wohngemeinschaft des Vereins „Der Karren“ zu Hause. Insgesamt wohnen in dem Gebäude an der Boelckestraße Sankt Augustin neun Menschen mit geistiger Behinderung.

Viele der Mieter wohnen schon seit über 20 Jahren zusammen in der Wohngemeinschaft, erklärt die Leiterin der Wohneinrichtung Gabriele Siebert. Die Bewohner sind alle zwischen 48 und 53 Jahre alt. Deswegen mussten sie von ihrem alten Haus in Niederpleis in den Neubau umziehen. „Es sind fünf Menschen mit Down-Syndrom in der Gruppe. Sie altern viel schneller als Menschen ohne Behinderung“, sagt Siebert.

Im Neubau ist allerdings schon vorgesorgt: Ein Fahrstuhl führt in jedes Stockwerk, alle Bäder haben ebenerdige Duschen, und der Boden hat keine Fußleisten. „Eine unserer Bewohnerinnen ist mit Rollator unterwegs. In ihrem alten Zuhause hat sie wegen ihrer Gehbehinderung kaum noch das Haus verlassen. Seit sie hier eingezogen ist, lebt sie wieder selbstbestimmt“, so die Leiterin und pädagogische Betreuerin.

Die Wohngemeinschaft versteht sich gut. Dreh- und Angelpunkt des alltäglichen Lebens ist die Küche. Hier essen alle gemeinsam zu Abend und planen den nächsten Tag. Siebert bezeichnet die Küche als Kommunikationszentrale. „Die Menschen, die hier wohnen, würden nie Kontakt mit jemanden aufnehmen, wenn sie alleine wohnen würden“, so die 50-Jährige. „Hier sind sie nie alleine, sie haben sich gegenseitig.“

Bestes Beispiel dafür sind Christiane Kolsdorf und Volker Kretschmann. Die 53-Jährige und der 51-Jährige sind seit dem Kindergarten ein Paar, gingen gemeinsam zur Schule und wohnten auch schon im alten Wohnhaus Tür an Tür. 2001 heirateten sie. Jetzt haben sie sogar ein eigenes Appartement in der Wohngemeinschaft. „Es ist wunderschön hier“, sagt Christiane Kolsdorf. „Ich räume immer auf, und Volker macht wieder Chaos“, sagt sie. Ein ganz normales Familienleben: Tagsüber arbeiten die WG-Bewohner alle in Behindertenwerkstätten.

„Die Menschen mit geistiger Behinderung sollen hier selbstbestimmt leben können“, erklärt Siebert. Die pädagogischen Betreuer unterstützen nur da, wo noch Hilfe nötig ist. Beispielsweise beim Kochen. Fast alle Bewohner können sich Essen aufwärmen oder ein Brot schmieren. Jede Woche werden Gruppen zum Küchendienst eingeteilt. Der überlegt, welches Gericht es geben soll und geht gemeinsam mit einer Betreuerin einkaufen. Die hilft dann auch bei der Zubereitung. Besonders beliebt sei bei allen Bewohnern Spaghetti Bolognese, weiß Siebert aus Erfahrung.

Die Bewohner mit geistiger Behinderung führen alle ihren eigenen Haushalt. Bei Birgit Ettel ist jeden Donnerstag „Hausfrauentag“. Sie hat ein Einzelzimmer in der Wohngemeinschaft. Das räumt sie dann auf und schwingt den Staubsauger. Im Zimmer der 34-Jährigen ist der Schreibtisch ihr Lieblingsplatz: „Ich höre hier gerne Musik und lese Bücher.“ Seit rund elf Jahren lebt sie mit den anderen Bewohnern schon in einer WG.

Der Verein „Der Karren“ hat sieben Häuser für ambulant betreutes Wohnen für geistig behinderte Menschen. Die Miete der Bewohner ist auf den Wert der Erwerbsminderungsrente oder der Grundsicherung, die Menschen mit Behinderung beziehen, angeglichen. „Für Eltern mit geistig behinderten Kindern ist die Vernetzung besonders wichtig. Inzwischen gibt es genug Beratungsstellen, die unser Angebot auch vorstellen“, sagt Siebert. Eine solche Vernetzung bieten beispielsweise die Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsangebote (KoKoBe) für Menschen mit geistiger Behinderung des Vereins. Es sei ganz unterschiedlich, ob und wann die Kinder von ihren Familien wegziehen. Aber da sei es nicht anders als in ganz normalen Familien, so die Leiterin.

„Menschen mit Behinderung sind nicht krank.“ Das betont Siebert deutlich. Sie sei Betreuerin und keine Pflegerin. „Wir unterstützen nur im Alltag.“ Und diesen können sich die Bewohner vielseitig gestalten. Das Haus liegt in der Nähe der Bahnstation Sankt Augustin Ort, neben einer Gaststätte und einem Kiosk. Fußläufig ist auch ein Supermarkt erreichbar. Das Einkaufen macht der WG in der Boelckestraße am meisten Spaß.

Von Sofia Grillo

Aug 02
Feb 11

Bernhard Hoëcker: Benefizlesung für den Karren

„Neues aus Geocaching – Geschichten von draußen“

Am 13. März präsentiert der diakonische Verein Der Karren eine Benefiz-Lesung mit Schauspieler und Comedian Bernhard Hoëcker im Haus Menden in Sankt Augustin.

Hoëcker ist bekennender Geocacher. Um bei dieser Art der modernen Schnitzeljagd per GPS verborgene „Schätze“ zu finden und zu heben, schreckt er weder vor alpinen Höhen noch vor Reisen in vermeintliche Schurkenstaaten zurück, scheut weder Lost Places noch Kreuzfahrten.

Bernhard Hoëcker berichtet zusammen mit Tobias Zimmermann in bewährt lässig-pointierter Manier von nächtlichen Exkursionen, gewagten Hängepartien, finsteren Wäldern, geheimnisvollen Ruinen und Begegnungen der dritten Art.

Die Lesung, angereichert mit Fotos, Anekdoten und bewegten Bildern begeistert alle – auch jene, für die Geocaching bislang ein Fremdwort war.

Der Erlös aus der Veranstaltung kommt den Aktivitäten des Karren für Menschen mit Behinderungen zugute.

Karten: 18,50 Euro, erm. 14,10 € + evtl. Verkaufsgebühren bei Bonnticket, Bücherstube Sankt Augustin und bei der Stadt Sankt Augustin, Fachbereich Kultur und Sport
Ort: Haus Menden, An der Alten Kirche 3, 53757 Sankt Augustin-Menden
Zeit: 13. März 2016, 20:00 Uhr

Dez 08
Mai 05

FSJ beim Karren: „Eine echte Bereicherung“

13.04.2015 | Extrablatt Siegburg

„Für mich war es eine echte Bereicherung“ – viele wertvolle Erfahrungen als Integrationshelferin

Rhein-Sieg-Kreis. Charlotte Neborg aus Neukirchen-Seelscheid, 19 Jahre alt, betreut seit vergangenem Sommer als Integrationshelferin die 11-jähre Luise (Name geändert) in der LVR-Frida-Kahlo-Schule in Sankt Augustin. Im folgenden Gespräch berichtet sie über dieses für sie besondere Freiwillige Soziale Jahr, das sie beim diakonischen Verein Der Karren absolviert.

Wie sieht Ihr Alltag als Integrationshelferin aus?
Ich begleite Luise jeden Tag in ihrem Schulalltag. Sie geht in die fünfte Klasse. Weil sie schwerstmehrfach behindert ist, nehme ich mit ihr hauptsächlich spezielle Förderangebote wahr. Wir arbeiten zum Beispiel zusammen daran, dass sie ihre Hilfsmittel wie etwa den Step-by-Step benutzen kann. Das ist eine Taste, mit der sie sich mitteilen kann, zum Beispiel wenn sie am Unterricht teilhaben möchte oder auf sich aufmerksam machen will. Wir sind viel zusammen an der frischen Luft und Luise liebt Musik. Ich helfe ihr beim Essen und Trinken und natürlich gehören auch pflegerische Tätigkeiten wie etwa Wickeln zu meinen Aufgaben.

Wie gefällt Ihnen Ihre Aufgabe? Was ist das Besondere daran?
Luise und ich sind seit letztem Sommer zu einem tollen Team zusammengewachsen und ich bin sehr glücklich, diese Zeit mit ihr zu verbringen. Am Anfang war es ungewohnt, dass Luise sich nicht durch Sprache mitteilen kann. Es kam mir komisch vor, zu reden und keine Antwort zu erhalten. Doch inzwischen habe ich durch sie gelernt, dass man sich auch auf einer anderen Ebene kennenlernen und miteinander kommunizieren kann.

Was werden Sie für sich persönlich aus diesem FSJ mitnehmen?
Neben der engen Beziehung, die sich zwischen Luise und mir entwickelt hat, habe ich viel von dieser Erfahrung profitiert. Am Anfang fühlte ich mich der Aufgabe nicht gewachsen und zum Beispiel das Wickeln kostete mich einige Überwindung. Aber das war schon nach zwei Wochen ausgestanden. Ich merke, dass mich die vergangenen Monate viel selbstbewusster gemacht haben. Ich habe Vertrauen in mich entwickelt, dass ich Verantwortung übernehmen kann. Ich kann jedem nur empfehlen, als Integrationshelfer zu arbeiten. Für mich ist es eine echte Bereicherung.

Welche Hilfestellungen erhielten Sie?
Der Karren bietet viele verschieden Fortbildungen zu Themen an, die einem im FSJ-Alltag begegnen. Dort kann man sich mit anderen austauschen und erfährt vieles, was einem sehr hilft. Außerdem haben wir regelmäßig Teamsitzungen mit einer Mitarbeiterin des Karrens, bei der wir aktuelle Situationen und Probleme besprechen und lösen.

Wie sind Sie eigentlich zum Karren gekommen?
In der Schule haben viele überlegt, nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr zu machen. Da haben wir uns über unterschiedliche Möglichkeiten ausgetauscht und ich habe mir einige Optionen angeschaut. Nach einem Bewerbungsgespräch beim Karren war dann schnell alles klar.

Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Im Sommer werde ich mit meinem BWL-Studium beginnen. Neben dem Studium möchte ich aber gerne weiter in diesem Bereich arbeiten und vor allem den Kontakt zu Luise halten. Ich kann es mir noch gar nicht vorstellen, sie dann nicht mehr jeden Tag zu sehen. Aber zum Glück sind es ja noch ein paar Wochen bis zu den Sommerferien.